Sept. 2021 - Gebiet: Handchirurgie

September 2021: Aus dem Gebiet der Handchirurgie

Diagnose: Mehrfragmentfraktur am Ringfingergrundglied rechts (s. Abb. 1)
Therapie: Osteosynthese mit 2 Schrauben (s. Abb. 2)
Vorwurf: Fehlstellung des rechten Ringfingers

Sachverhalt

Die Klägerin war gestürzt und hatte sich die rechte Hand verletzt. Die ärztliche Erstversorgung erfolgte am Unfalltag in der beklagten Klinik. In den Röntgenaufnahmen der rechten Hand wurde eine Mehrfragmentfraktur am Ringfingergrundglied diagnostiziert, die 10 Tage später offen reponiert und mit 2 Schrauben osteosynthetisch stabilisiert wurde.
Wegen eines verbliebenen Rotationsfehlers des rechten Ringfingers wurde der Klägerin anderenorts eine Korrekturoperation empfohlen (s. Abb.3

Zusammenfassung der vorliegenden Unterlagen

Zusammenfassung des externen Gutachtens

Der von uns beauftragte Gutachter, Facharzt für Hand- und Rekonstruktionschirurgie, hat nach Darstellung des Sachverhaltes folgende Kernaussagen getroffen:

  1. Es habe am 22.05.2020 eine Indikation zur Operation bestanden.
  2. Der Eingriff am 22.05.2020 sei ausweislich des spärlichen Operationsberichtes nach gängigem handchirurgischen Fachgebietsstandard erfolgt. Dem Operationsbericht könne jedoch keine Aussage über die intraoperativen Schwierigkeiten entnommen werden.
  3. In den postoperativen Röntgenkontrollen sei die radiale Abweichung des rechten Ringfingers erkennbar, die einen Drehfehler ohne gesicherten Hinweis nicht ganz ausschließen ließe.
  4. Es sei gutachterlich nicht sicher feststellbar, ob der Verbleib des Drehfehlers einer primär unzureichenden Reposition der Fraktur oder einer sekundären Dislokation geschuldet sei.
  5. Die Fraktur sei in Fehlstellung ausgeheilt. Aus den vorliegenden Dokumenten würde nichthervorgehen, welche weiteren Therapieoptionen diesbezüglich in Anspruch genommen seien.
Bewertung der Haftungsfrage

Es bestand am 22.05.2020 eine tragfähige Indikation für eine offene Reposition und osteosynthetische Versorgung der dislozierten Mehrfragmentfraktur am rechten Ringfingergrundglied. Das ärztliche Vorgehen war fehlerhaft, weil die Fraktur nicht achsengerecht versorgt wurde, ein Rotationsfehler verblieb und eine zeitnahe Korrektur nicht eingeleitet wurde. Die Ärzte der beklagten Klinik räumten in ihrer Stellungnahme ein, dass eine Fehlstellung des rechten Ringfingers vorgelegen habe. Die Drehfehlstellung des rechten Ringfingers sollte sich durch Krankengymnastik und Ergotherapie korrigieren. Eine zeitnahe Korrekturosteotomie war jedoch indiziert. Entscheidend zum Nachweis einer achsengerechten Stellung und zum Ausschluss eines verbliebenen Rotationsfehlers sind die klinischen intra- und postoperativen Stellungskontrollen der Finger beim aktiven und passiven Faustschluss und der Lauf der Finger (Abb.4)

Der Operationsbericht mangelt erheblich an Qualität, Quantität und Sorgfalt. In dieser Form beeinträchtigt er negativ den Beweiswert des operativen Eingriffs.

Gesundheitsschaden

Verbliebene Beschwerden und Funktionsbeeinträchtigungen am rechten Ringfinger sind einer fehlerhaften Primärversorgung anzulasten. Wir halten Schadensersatzansprüche im dargestellten Rahmen für begründet und empfehlen, eine außergerichtliche Regulierung zu prüfen. /MS

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